Frauen stehen im Fokus vieler Anbieter von Selbstverteidigungskursen. Eine „leichte Beute“, denn der Mainstream macht deutlich: Frauen sind eine gut zu erreichende und bevorzugte Zielgruppe, mit der viel Geld zu verdienen ist. Daher wird viel Geld in Suggestionen, Vorurteilen und Behauptungen investiert, die das Kopfkino anregen: Frauen möchten sich sicher fühlen, z. B. auf dem Nachhauseweg von der Arbeit oder dem Sport im Dunkeln. So oder so ähnlich wird das „Geschäft mit der Angst“ am Leben gehalten…
Wissen ist Macht. Weiß nichts? Macht was!
Zu Beginn zwei Zitate, die eine gute Einleitung für das Thema sind:
Hier ist die schockierende Realität: Die Flut an Schreckensmeldungen scheint endlos zu sein. Jedes Jahr werden 555.000 Menschen alleine in Deutschland Opfer einer Gewalttat. Das sind so viele Menschen, wie in Hannover leben! Fast scheint es, als wäre es nur eine Frage der Zeit, bis auch es auch dich und mich erischt. Alleine diese Vorstellung macht die meisten Menschen wahnsinnig.
Ob du in der U-Bahn von 3 Jugendlichen angegriffen, auf dem Heimweg von einem Drogen-Süchtigen ausgeraubt oder auf einem Fest von Betrunkenen angepöbelt wirst. Die Liste der möglichen Übergriffe ist schier endlos und nur eins scheint sicher: Irgendwann wird irgendwas passieren und es wird DICH betreffen!
Quelle: selbstverteidigung-kurs.de/sicherheit; Tag der Recherche: 16.02.2017
Aus diesem Grund halten potenzielle Angreifer Frauen für ein leichteres Ziel und greifen diese bevorzugt an. Daher ist es naheliegend, dass der Wunsch, einen Selbstverteidigungskurs zu besuchen, meist von einer Frau kommt. Viele weibliche Kursteilnehmer möchten sich schlichtweg sicherer fühlen, wenn sie sich nach der Arbeit oder dem Sport im Dunkeln auf den Nachhauseweg machen.
Auch wenn Männer in der Regel eher die Rolle des Angreifers innehaben, kann es ihnen genauso passieren, dass sie auf der Straße angegriffen werden, etwas von einer Gruppe oder Tätern, die zusammenarbeiten.
Quelle: www.bussgeldkatalog.com/selbstverteidigungskurs/; Tag der Recherche: 16.02.2017
Für die Recherche der beiden oberen Zitate habe ich – wie es wohl jeder getan hätte – gegoogelt und das Wort „Selbstverteidigungskurs“ als einziges Suchwort eingegeben. Das erste, oben abgebildete Ergebnis, springt einem geradezu ins Auge. Das zweite, oben abgebildete Zitat, habe ich ca. eine Minute später finden können, weil die im Google-Auswurf angekündigte Überschrift „Der Selbstverteidigungskurs – das sollten Sie wissen – Bußgeldkatalog“ sehr anziehend auf mich wirkte.
Insgesamt zwei völlig unterschiedliche Zitate, mit zwei unterschiedlichen Vorgehensweisen der Werbung: Die eine laut polternd, offensiv, persönlich und konfrontativ, die andere leicht & locker, emphatisch, logisch aufgebaut und das beinhaltend, was man schon immer meinte, zu wissen. Aus meiner Sicht zwei hervorragende Beispiele für das Geschäft mit der Angst.
Grundsätzlich haben die beiden oberen Zitate Parallelen in Form eines Schlüssels, ohne den eine Werbung – für was auch immer – gar nicht möglich wäre: Die Schaffung eines Bedarfs. Jedes Geschäftsmodell beginnt mit der Frage, durch was sich am ehesten bzw. besten ein Bedarf entwickeln lässt. Die Antwort ist in diesem Fall naheliegend: Durch eine ganz persönliche und individuelle Ansprache an das Sicherheitsgefühl.
Das Ungewöhnliche – und auf eine gewisse Weise auch Geniale – bei der Werbung für Frauen-Selbstverteidigungskurse ist, dass die Werbestrategie, Angst zu erschaffen und aufrecht zu erhalten, um ein vielfaches einfacher zu sein scheint, als für den Sachverstand zu werben. Pessimismus bekämpft den Optimismus, das Gefühl den Verstand. Das ist der Trend: Die Kriminalstatistik ist seit Jahren in etwa gleichbleibend, gleichzeitig steigt die Angst bei vielen Menschen, Opfer einer Gewalttat zu werden. Da gibt es eine gewaltige Schieflage zwischen dem Sicherheitsgefühl und der Realität.
Ist die Angst begündet? Der Faktencheck!
Bester Zeitpunkt, Sie mit Fakten zu beschäftigen. Keine Angst, es wird jetzt nicht unübersichtlich oder unverständlich. Ich präsentiere Ihnen im Folgenden einen absolut winzigen Auszug aus der Kriminalstatistik des Bundesministeriums des Inneren aus dem Jahr 2015:
Diese Statistik ist bewusst übersichtlich gehalten, damit die Botschaft klarer wird: Opfer von Gewalttaten sind zumeist Männer und nicht – wie oft falsch behauptet – Frauen. Wie oben auch nachzulesen ist, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mann Opfer einer Gewalttat wird, ca. 40% höher als die bei Frauen. Lassen Sie bitte die Zahlen auf sich wirken…! Im Übrigen handelt es sich hierbei um Zahlen, die bereits seit Jahren recht stabil sind. Es handelt sich hierbei also auch nicht um eine Art „neue Entwicklung“. Hiermit fordere ich Sie dazu auf, dem Link zu folgen und weitere Zahlen für sich zu recherchieren. Sie werden sehen: Diese Zahlen spiegeln nicht im entferntesten die Realität wieder, welche sich die zu Beginn dieses Artikels erwähnten Zitate zu eigen machen. Vielleicht hierzu noch ein kleiner Auszug aus der o. g. Statistik:
Straftaten insgesamt:
Im Jahr 2015 wurden in Deutschland 6.330.649 Straftaten polizeilich registriert. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet dies einen Anstieg um 4,1 Prozent. Die Sechs-Millionen-Grenze wurde wie auch im Berichtsjahr 2014 wieder überschritten. Die Häufigkeitszahl erhöhte sich von 7.530 auf 7.797 Fälle pro 100.000 Einwohner. Dies entspricht einem Anstieg um 3,5 Prozent. Die Gesamtaufklärungsquote lag mit 3.564.811 aufgeklärten Fällen im Jahr 2015 bei 56,3 Prozent (2014: 54,9 Prozent).
Im Jahr 2015 wurden 2.369.036 Tatverdächtige ermittelt (2014: 2.149.504). Bei den deutschen Tatverdächtigen wurde ein Rückgang um 4,9 Prozent auf 1.457.172 und bei den nichtdeutschen Tatverdächtigen ein Anstieg um 47,7 Prozent auf 911.864 registriert. Der Tatverdächtigenanteil von Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit hat sich im Vergleich zum Vorjahr von 28.7 Prozent auf 38,5 Prozent erhöht.
Der starke Anstieg der Fall- und Tatverdächtigenzahlen liegt in der hohen Anzahl der ausländerrechtlichen Verstöße (z. B. unerlaubte Einreise und unerlaubter Aufenthalt) im Zusammenhang mit Migrationsströmungen begründet.
Quelle: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Download/DE/Broschueren/2016/pks-2015.pdf?__blob=publicationFile; Tag der Recherche: 16.02.2017
Die Ernüchterung
Aufgrund dieser Faktenlage wird es ziemlich schwierig zu erklären, warum gerade Frauen Angst haben müssten, Opfer einer Gewalttat zu werden. Dieses Wissen haben natürlich auch die Autoren derartiger Werbestrategien und versuchen, durch das Hinzufügen kopfkinolastiger Phrophezeihungen Druck auf die Zielgruppe auszuüben, um den Bedarf nach Sicherheit entstehen zu lassen bzw. aufrecht zu erhalten. Wie in der Werbung üblich: Es werden Fakten konstruiert und phantasievoll ausgeschmückt, die in der Realität nicht existieren. Die Grundsubstanz bleibt dabei immer gleich: Angst. Der Bedarf an Sicherheit wird kreativ kreiert. Genial auch, dass die Lösung des Dilemmas so naheliegend und einfach ist: Selbstverteidigungskurse.
Schaut man die TV-Verkaufssender an, stößt man auch dort auf das gleiche Verkaufs-Prinzip: Man schafft zuerst ein großes Problem, welches unbedingt aus der „Mitte des Lebens“ stammen muss, damit schafft man gleichfalls einen unabweisbaren Bedarf und – täräääähhh – wird einem auch schon die ideale Lösung präsentiert, welche wiederum mit wenig Ressourcen (z. B. Zeitaufwand, Geld, Anstrengung) zu erreichen ist. Wer kann da noch widerstehen? Ein gutes Beispiel hierfür sind die vielen Geräte und Medikamente, die eine Gewichtsreduktion mit wenig Aufwand versprechen. Auch hier findet sich das gleiche Schema: Das Problem wird ebenfalls sehr lebenspraktisch gespiegelt (Übergewicht), der Bedarf geweckt (Gewichtsreduktion) und die Lösung präsentiert (das Gerät bzw. das Medikament). Selbsterklärend, dass ein derartiges Gerät sowohl einfach zu bedienen, als auch zu verstauen ist und mit wenig Ressourcen der Bedarf des Anwenders gedeckt wird. Medikamente sind selbstverständlich absolut naturbelassen, gesund und wirkungsvoll.
Was ist aber, wenn man so ein Gerät erwirbt, es nach Gebrauchsanweisung anwendet und es dennoch nicht zum Erfolg führt? Hier schließt sich der Kreis, denn die Antwort lautet: Anwenderfehler. Die Hersteller machen es sich auch dann sehr einfach: Der Anwender ist Schuld. Da es unendliche viele Möglichkeiten gibt, falsch zu trainieren, ist es einfach, dieses Totschlagargument auch regelmäßig zu bedienen. Eigentlich weiß man so etwas auch. Konfuzius hat es mal so zusammengefasst:
Der Mensch hat dreierlei Wege, klug zu Handeln; erstens durch Nachdenken, das ist das Edelste, zweitens durch Nachahmen, das ist das Leichteste, und drittens durch Erfahrung, das ist das Bitterste.
Offensichtlich gibt es das Problem, dass Menschen vorzugsweise aus Erfahrungen lernen, schon länger. Auch Erwachsene. Ich schreibe dies in der Hoffnung, dass ich hiermit Menschen erreiche, die nachdenken. Wo wir gerade in einer sehr besinnlichen Stimmung sind und ich Sie – hoffentlich – zum Nachdenken gebracht habe: Auch Kampfsportler und Kampfkünstler werden Opfer von Gewalttaten… also: wenn das nicht nachdenklich macht!
Und was nun?
Sicherlich kann man sich nun darüber streiten, ob nicht doch die Teilnahme an einem Frauenselbstverteidigungskurs besser als die Nichtteilnahme ist. Auf diese Frage würde sich letztlich die gesamte Thematik reduzieren müssen, um mit der entsprechenden Sinnhaftigkeit eines derartigen Kurses argumentativ noch jonglieren zu können.
Meine persönliche Meinung dazu ist Folgende: Wer – einerseits – tatsächlich so naiv ist anzunehmen, dass ein Frauenselbstverteidigungskurs tatsächlich dazu befähigt, sich in lebensbedrohlichen Situationen zu behaupten, muss einfach seine Erfahrungen machen, wozu i. d. F. auch der Verlust des investierten Geldes gehört. Ich wünsche natürlich keiner Teilnehmerin, dass mal auszuprobieren, rate aber auch nicht dazu. Genaugenommen rate ich unbedingt davon ab. Andererseits müsste man sich – wollte man wirklich alle Aspekte eines „sicheren Lebens“ über Kurse abdecken – konsequenter Weise dann auch für alle anderen Angebote begeistern – naja, zumindest interessieren, wie z. B. Fahrsicherheitstraining, 1.Hilfe-Kurs, IT-Sicherheitskurse, Rechtskurse, etc. Denn, das könnte man ganz einfach mit Zahlen belegen – ist die Wahrscheinlichkeit, im Verkehr zu verunfallen ganz sicher um einiges höher, als Opfer einer Gewalttat zu werden. Von daher birgt das Thema „Sicherheit“ einiges an Sprengkraft und könnte leicht zu einer Lebensaufgabe mutieren.
Aus diesen Gründen rate ich grundsätzlich dazu, sich nicht verrückt machen zu lassen und in Ruhe für sich selbst zu überlegen, was eigentlich genau der eigene Bedarf ist. Sollte es tatsächlich ein Bedürfnis geben, eine Kampfkunst oder einen Kampfsport zu betreiben, so meldet man sich am besten in einem entsprechenden Verein an und trainiert dort regelmäßig und nachhaltig. Hierzu gibt es keine Alternative. Enttäuscht? Schauen Sie doch in alle anderen Sportarten: Ich habe noch von keinem einzigen Sportler gehört, der gut wurde, in dem er einen Kurs besucht hat. Wer gut werden will, muss regelmäßig trainieren, was alternativlos ist.
Das war jetzt sowas wie eine Binsenweisheit.
Sie wissen also jetzt, dass Frauenselbstverteidigungskurse hart umworben sind. Überwiegend werden für diesen Zweck Fakten und Tatsachen verdreht, getunt, weggelassen oder ins Gegenteil verdreht – wie am obigen Beispiel deutlich gemacht. Da die Werbestrategen dies zumeist wissen und ganz bewusst einsetzen, kann man in diesem Kontext auch von Lügen sprechen. Interessenten werden also bewusst angelogen bzw. getäuscht, damit sie die teuren Kurse besuchen. Profitieren kann hiervon nur immer einer: Der Anbieter.
Gehen Sie also bedachter und planvoller mit Ihrer persönlichen Sicherheit um. Planen Sie Ihr Leben nicht nach den Richtlinien, die Ihnen andere vorgaukeln und leben Sie nicht fremd-bestimmt. Informieren Sie sich, recherchieren Sie sorgfältig und in alle Richtungen. Das alles lohnt sich, damit Sie sich mit den wirklich wichtigen Themen Ihres Lebens sinnvoll, bodenständig und gewinnbringend auseinandersetzen können. Geben Sie sich und Ihrem Leben Qualität, indem Sie sich auf die wesentliche Dinge beschränken, die Sie selbst bestimmen!